Die Psychologin Lorena Pérez konnte uns telefonisch über die aktuelle Situation von Cintras informieren:
In Santiago herrscht in einigen Stadtsektoren totale Ausgangssperre, im Rest des Landes ähnliche Einschränkungen wie in Deutschland – aber mit weit weniger staatlicher Unterstützung für die betroffenen Menschen und Unternehmen. Der Virus hat sich zunächst ausschließlich in den reicheren Stadtvierteln verbreitet, wo die Leute die Möglichkeit zu Auslandsreisen haben. Zu dem Zeitpunkt hätte man ihn mit gezielter Quarantäne vielleicht aufhalten können. Inzwischen verteilt er sich aber über das ganze Land. Erst nach Protesten der Ärztevereinigung und mehrerer Bürgermeister wurden auch in Chile strengere Maßnahmen ergriffen. Ob die Krankenhausplätze auf dem Höhepunkt der Pandemie ausreichen, ist unsicher – und wie schon in "normalen" Zeiten ist eine wirklich gute medizinische Versorgung nur für Menschen mit Geld gesichert.
Cintras funktioniert fast normal, obwohl das Büro sich auch im Bereich der Ausgangssperre befindet. Von zu Hause werden Patient*innen per Skype, Video, Whatsapp oder Telefon betreut, um persönliche Kontakte zu vermeiden – insbesondere auch mit den zahlreichen älteren Patient*innen. Lorena Pérez sagt, das fühlte sich erst sehr ungewohnt an, läuft jetzt aber recht gut, sogar mit intimen Therapiethemen. Sie fühlt sich nur nach der Arbeit erschöpfter als sonst, wenn sie im direkten persönlichen Kontakt arbeitet.
Wie bei so vielen Dingen zeigen sich auch in der Coronakrise die extremen sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten in Chile: Internet ist in dieser Situation hilfreich, aber viele Patient*innen haben keinen Rückzugsort zu Hause, um ungestört mit Cintras zu skypen oder zu telefonieren. Innerfamiliäre Spannungen bis hin zu häuslicher Gewalt nehmen unter beengten Verhältnissen in Quarantäne zu. Bei Entlassungen aufgrund der Auswirkungen von Covid-19 wird nur für einen Monat Arbeitslosengeld gezahlt. Viele Menschen können nicht einfach zu Hause bleiben, weil sie sich von einem Tag zum anderen mit Gelegenheitsjobs durchschlagen und dazu die Wohnung verlassen müssen.
Lorena Pérez hat Zweifel, ob die sozialen Proteste nach „Corona“ in der gleichen Stärke fortgesetzt werden können wie bisher. Ein Lichtblick ist, dass die in den letzten Monaten entstandene Solidarität in bestimmten Gruppen der Bevölkerung anzuhalten scheint und die Menschen einander helfen.
Stand: April 2020