SOHRAM Casra: Würde für Folteropfer und Geflüchtete in der Türkei

Sohram Casra engagiert sich gegen Gewalt in der Gesellschaft: sei es Gewalt durch Krieg oder Bürgerkrieg, häusliche Gewalt, sexuelle Belästigung oder Diskriminierung aufgrund ethnischer und religiöser Zugehörigkeit. Das Zentrum unterstützt die Rehabilitation und Wiedereingliederung von Folteropfern und nimmt sich Binnenvertriebenen und Flüchtlingen an.

Schon mit 15 wurde er verhaftet und gefoltert: Der Kurde Yavuz Binbay, der sich seit vier Jahrzehnten für Demokratie und Menschenrechte im kurdischen Gebiet der Türkei einsetzt. Über sieben Jahre hat der Geologe und Ingenieur in Haft verbracht; er trägt noch heute schwere Spuren von Folterungen. Sein traumatisches Leiden veranlasste den mutigen Mann, sich nach der Entlassung 1985 für die Rehabilitation ehemaliger Mitgefangener einzusetzen, die ebenfalls gefoltert worden waren.

Schwer verletzt überlebte Yavuz Binbay 1994 seinen vierten Mordanschlag. Mit seiner Frau und zwei Söhnen fand er in Genf Asyl; hier knüpfte er Verbindungen zu vielen Menschenrechtsorganisationen.

Doch die Situation in seiner Heimat ließ ihn nicht los, und so ging Yavuz Binbay 1997 zurück nach Diyarbakir, wo er drei Jahre später das Fundament für sein Hilfswerk SOHRAM legte. SOHRAM bietet Opfern von Folter und Gewalt juristische Unterstützung und hilft ihnen, Traumata zu verarbeiten. In Friedensworkshops fördert SOHRAM den interkulturellen Dialog und vermittelt Werte wie Gewaltlosigkeit und Toleranz. Die Organisation setzt sich für die Rechte der Frauen ein und ächtet Ehrenmorde. Sie kämpft auch für die Überwindung des Rassismus gegen das kurdische Volk.

Noch heute finden in der türkischen Heimat der Kurden gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen der kurdischen Arbeiterpartei PKK und der türkischen Armee statt. Um den Kämpfen zu entgehen, flohen viele Menschen vom Land in die Hauptstadt Diyarbakir. Doch sie verarmten, weil es keine Arbeit gab. Unter dieser Situation leiden besonders die Kinder. Weil vielen Familien das Geld für Schuluniformen und Lehrmittel fehlt, gehen die Kinder nicht zur Schule, sondern arbeiten als Straßenverkäufer oder Prostituierte. Oft sehen sie ihre einzige Perspektive in einem Leben als PKK-Soldat. Das Schicksal dieser jungen Menschen war für Yavuz Binbay eine wichtige Motivation, in ein Land zurückzukehren, das ihn brechen wollte. SOHRAM gelingt es, Kinder aus Elendsvierteln in öffentliche Schulen einzugliedern; viele Jugendliche beenden ihre Ausbildung und finden Arbeit. So werden sie wieder Teil der Gesellschaft und führen in ihrer Heimat ein menschenwürdiges Leben.

Zudem sind unzählig viele Flüchtlinge aus Syrien gekommen. Nur ein kleinerer Teil ist in organisierten Unterkünften untergebracht, während tausende Menschen unversorgt frei campieren und auf Hilfe aller Art angewiesen sind. Yavuz Binbay und sein Team – einige Hauptamtliche und viele Ehrenamtliche – leisten in ihrem Zentrum angesichts dieser Situation schier Unglaubliches. Sie haben ein Schulprojekt für Kinder und Jugendliche aus den Armenvierteln, die kein Schulgeld für die staatlichen Schulen bezahlen können. Sie bieten Sprachkurse "Türkisch für Flüchtlinge" an, damit diese sich im Land etwas zurechtfinden können. Sie leisten Trauma-Arbeit für Menschen, die Gewalt erfahren haben (staatliche oder familiäre oder im Bürgerkrieg). Ergänzt wird sie durch medizinische Hilfe (Gratiskonsultationen und Medikamente) und juristische Hilfe (durch eine freiwillige Juristin). Und schließlich bietet ein Team einer angestellten Fürsorgerin mit Freiwilligen soziale Hilfe bei Familienproblemen, Arbeitssuche, Gratisverpflegung und Betrieb eines Secondhandladens.

Weiteres aus dem Projekt

Appell für den Frieden: Werde aktiv und handle!

Tag der Gewaltfreiheit in Zagreb: Was wissen Sie über Gewaltfreiheit? fragen Freiwillige von RAND.

Mit dem Appell zum Handeln ruft die Gruppe von Katholiken, Muslimen, Orthodoxen und Protestanten vom Westbalkan, die Initiative der Gläubige für den Frieden, die sich für den Friedensaufbau und die Kultur der Gewaltfreiheit einsetzt, auf, in das Jahr 2015 einzutreten.

Im vergangenen Jahr beobachteten wir mit Sorge, dass es immer mehr Beispiele untoleranten Verhaltens gegenüber Menschen islamischer Glaubenszugehörigkeit gibt. Diese Intoleranz wird als Widerstand gegen den Terrorismus dargestellt, der am ausgeprägtesten in der Form der Verbreitung des sog. Islamischen Staat zu erkennen ist. Dies macht uns unruhig, denn die Intoleranz gründet auf dem bloßen Unterschied in der Glaubenszugehörigkeit, und sie macht uns um so mehr Sorgen, als sie uns an jene Intoleranz erinnert, die in den Hass und die Gewalt der Kriege in den 90-igen Jahren in Kroatien und Bosnien und Herzegowina mündete. Die Intoleranz und Feindseligkeit erkennen wir in den Sätzen, die Abwertung ausdrücken. Sie wird gestärkt unter anderem durch verschiedene Formen der Sicherheitskontrollverfahren, wie z.B. an Flughäfen, wenn die Kontrollen gegenüber den Muslimen und vor allem den Muslima - da die Frauen dank dem Kopftuch am ehesten sichtbar werden - intensiviert werden. In den bosnischen muslimischen Familien zieht die Angst ein, dass der regelmäßige Moscheebesuch ihrer Jugendlichen den Zweifel und den Verdacht in ihrer Umgebung wecken könnte, dass ihre Familienmitglieder mit dem radikalen und dem vom Terror belasteten Islam sympathisieren. Wenn die Muslime/Muslima in der Öffentlichkeit auftreten, wird von ihnen erwartet, dass sie sich vom Terrorismus des sog. Islamischen Staates abgrenzen, wobei oft vergessen wird, dass diegleiche Abgrenzung von den Christen nicht erwartet wurde, als es um den Terror von Breivik in Norwegen ging. Wir verfolgen in den Medien Massendemonstrationen der PEGIDA Bewegung in Deutschland als ein Beispiel, wie sich die Atmosphäre der Intoleranz auch in einer Gesellschaft der entwickelten, westlichen Demokratie verbreitet. Mit Freude verfolgen wir die Nachrichten von Gegendemonstrationen, die sich für ein interkulturelles, friedliches Zusammenleben einsetzen.

In unseren Gesellschaften im Westbalkan, die noch nicht ihre Kriegswunden geheilt haben und am chronischen Nationalismus leiden, brauchen wir wirklich keine neuen Fronten der Feindschaft, was die Islamophobie ist. Wir brauchen keine Feindbilder auf Grund von Glaubenszugehörigkeit, wir brauchen keine Kluft, auf deren einer Seite die Muslime und auf der anderen alle andere sind, christlicher oder säkulärer, agnostischer Weltanschauung. Was wir brauchen, ist das Zusammenleben in unseren Verschiedenheiten.

Das ist kein Appell für Muslime, das ist ein Appell für den Frieden. Wir, die wir die Feindschaften der Kriege am eigenen Leib erfahren haben, rufen zur aktiven Gewaltfreiheit auf, zumal wir sehr wohl wissen, dass sich die jahrelang angesammelte Feindschaften nur mühevoll abbauen lassen. Es ist richtig und gut, die abscheulichen Verbrechen im Namen des Islam heftig zu verurteilen, wie es laut und offen Muslime und Muslimas und ihre Vertreter weltweit tun. Genauso sollen wir uns beständig und täglich den Vorurteilen und der Intoleranzverbreitung widersetzen. Sie sind gefährlich, weil sie Hass gebären.

Wir sind uns unserer Verantwortung vor Menschen und vor Gott bewusst, dass wir eine Gesellschaft aufbauen, in der die Wahrheit sich ausbreitet und die Gerechtigkeit herrscht. Diese Verantwortung ist die konkrete Gestalt, in der wir unseren Glauben bekennen. Wir richten diesen Appell an alle Glaubenden und Menschen guten Willens, damit sie sich mit dem Problem des Terrorismus' auseinandersetzen, so dass sie gegen die Intoleranz gegenüber Menschen islamischer Glaubenszugehörigkeit Widerstand leisten, wo immer sie ihr in der Gesellschaf begegnen. Unsere Angst vor der Gewalt des sog. Islamischen Staates wird die Intoleranz gegenüber unseren muslimischen Nachbarn nicht beseitigen. Statt der Auseinandersetzung mit dem Problem und an Stelle der Begegnung mit dem anderen lässt die Intoleranz den Konflikt eskalieren, bahnt den Weg für neue Gewalt und für den Krieg. Da wir „diesen Film“ schon gesehen haben, interessiert er uns nicht, wir lehnen die Gewalt entschieden ab und wählen einen anderen Weg, auf den wir euch auch einladen.

Jede und jeder kann auf diesem Weg aus der unerschöpflichen Quelle eigener kreativer Fähigkeiten schöpfen. Wir finden, dass es jedenfalls nötig ist, dass du:

  • dein Bewusstsein für das Problem schärfst und beobachtest. Schließ nicht die Augen , sondern schau zu und denke nach! Vor jeder Staatsordnung und -sicherheitsmaßnahme steht dein Gewissen und dein Verstand. Denk nach, und was dir unlogisch erscheint, akzeptiere nicht selbstverständlich. Gewöhne dich nicht an jetzige Zustand, sondern erkenne, womit du nicht einverstanden bist und nenne es beim Namen. Das Unlogische prüfe kritisch nach. Stelle dir vor, wie du dich fühlen würdest, wenn man dich tagtäglich misstrauisch beobachten würde und dich unter schärfere Kontrollregeln als andere Bürger um dich herum stellen würde.
  • Finde eine Verbindung, eine Gemeinschaft, eine Person, die muslimischer Identität ist, um dich aus erster Hand zu informieren, wie sie sich in den aktuellen gesellschaftlichen, von der Sorge um die Sicherheit gegen den Terrorismus gekennzeichneten Umständen fühlt
  • Als Muslim / Muslima schliesse dich nicht als Opfer in deine Welt ein, sondern kommuniziere deine Gedanken, Wünsche, Vorwürfe, damit sie in die Ideen und Vorschläge der ganzen lokalen Gemeinschaft einfließen. Überlege und tausche dich mit deiner Umgebung darüber aus, was wirklich deine Sicherheit stärkt und was sie eigentlich gefährdet.
  • Der zivile Widerstand lebt von der Kommunikation, deshalb schreibe, sprich, widerspreche, sag laut, was du denkst. Handle wegen der anderen genauso wie wegen dir selbst, denn sobald du wirkst, bewirkst du die Veränderung, die du in der Welt sehen möchtest, einer Welt, in der die Freiheit des Wortes und der Bewegung herrschen.
  • Rede über Beispiele der gelungenen interkulturellen Solidarität mit deiner Umgebung, wie es das Beispiel von den Bürgern in Australien zeigt, die die Begleitung ihrer muslimischen MitbürgerInnen nach dem gewalttätigen Amoklauf eines Iraners aus Sidney (November 2014) angeboten haben, oder das Beispiel aus Kanada, wo die Bürger auf islamophobe Grafitti an der Wand der Moschee ihre Botschaften geschrieben haben: Ihr seid unsere Mitbürger und wir sind mit euch zusammen (Oktober 2014).Wann immer du dafür Kraft findest, reagiere, denn jedes Reagieren hat Sinn.
  • Wenn dich dieser Inhalt anspricht, unterschreibe die Deklaration der Gläubigen für den Frieden, die du auf der Homepage von www.vjernicizamir.org findest.
  • Wende dich im Gebet an Gott, damit du genug Kraft hast, und es dir nie zu schwer wird, Schritt für Schritt sich für deinen Nächsten, deinen Nachbarn einzusetzen.

Wo immer du dich für eine gerechte und bessere Welt einsetzt, Gott ist nahe. Deshalb, sei aktiv und handle.

Ana und Otto Raffai

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Land:
Türkei

Thema:
Menschenrechte / Soziale Gerechtigkeit

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2000

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