Im vergangenen Jahr beobachteten wir mit Sorge, dass es immer mehr Beispiele untoleranten Verhaltens gegenüber Menschen islamischer Glaubenszugehörigkeit gibt. Diese Intoleranz wird als Widerstand gegen den Terrorismus dargestellt, der am ausgeprägtesten in der Form der Verbreitung des sog. Islamischen Staat zu erkennen ist. Dies macht uns unruhig, denn die Intoleranz gründet auf dem bloßen Unterschied in der Glaubenszugehörigkeit, und sie macht uns um so mehr Sorgen, als sie uns an jene Intoleranz erinnert, die in den Hass und die Gewalt der Kriege in den 90-igen Jahren in Kroatien und Bosnien und Herzegowina mündete. Die Intoleranz und Feindseligkeit erkennen wir in den Sätzen, die Abwertung ausdrücken. Sie wird gestärkt unter anderem durch verschiedene Formen der Sicherheitskontrollverfahren, wie z.B. an Flughäfen, wenn die Kontrollen gegenüber den Muslimen und vor allem den Muslima - da die Frauen dank dem Kopftuch am ehesten sichtbar werden - intensiviert werden. In den bosnischen muslimischen Familien zieht die Angst ein, dass der regelmäßige Moscheebesuch ihrer Jugendlichen den Zweifel und den Verdacht in ihrer Umgebung wecken könnte, dass ihre Familienmitglieder mit dem radikalen und dem vom Terror belasteten Islam sympathisieren. Wenn die Muslime/Muslima in der Öffentlichkeit auftreten, wird von ihnen erwartet, dass sie sich vom Terrorismus des sog. Islamischen Staates abgrenzen, wobei oft vergessen wird, dass diegleiche Abgrenzung von den Christen nicht erwartet wurde, als es um den Terror von Breivik in Norwegen ging. Wir verfolgen in den Medien Massendemonstrationen der PEGIDA Bewegung in Deutschland als ein Beispiel, wie sich die Atmosphäre der Intoleranz auch in einer Gesellschaft der entwickelten, westlichen Demokratie verbreitet. Mit Freude verfolgen wir die Nachrichten von Gegendemonstrationen, die sich für ein interkulturelles, friedliches Zusammenleben einsetzen.
In unseren Gesellschaften im Westbalkan, die noch nicht ihre Kriegswunden geheilt haben und am chronischen Nationalismus leiden, brauchen wir wirklich keine neuen Fronten der Feindschaft, was die Islamophobie ist. Wir brauchen keine Feindbilder auf Grund von Glaubenszugehörigkeit, wir brauchen keine Kluft, auf deren einer Seite die Muslime und auf der anderen alle andere sind, christlicher oder säkulärer, agnostischer Weltanschauung. Was wir brauchen, ist das Zusammenleben in unseren Verschiedenheiten.
Das ist kein Appell für Muslime, das ist ein Appell für den Frieden. Wir, die wir die Feindschaften der Kriege am eigenen Leib erfahren haben, rufen zur aktiven Gewaltfreiheit auf, zumal wir sehr wohl wissen, dass sich die jahrelang angesammelte Feindschaften nur mühevoll abbauen lassen. Es ist richtig und gut, die abscheulichen Verbrechen im Namen des Islam heftig zu verurteilen, wie es laut und offen Muslime und Muslimas und ihre Vertreter weltweit tun. Genauso sollen wir uns beständig und täglich den Vorurteilen und der Intoleranzverbreitung widersetzen. Sie sind gefährlich, weil sie Hass gebären.
Wir sind uns unserer Verantwortung vor Menschen und vor Gott bewusst, dass wir eine Gesellschaft aufbauen, in der die Wahrheit sich ausbreitet und die Gerechtigkeit herrscht. Diese Verantwortung ist die konkrete Gestalt, in der wir unseren Glauben bekennen. Wir richten diesen Appell an alle Glaubenden und Menschen guten Willens, damit sie sich mit dem Problem des Terrorismus' auseinandersetzen, so dass sie gegen die Intoleranz gegenüber Menschen islamischer Glaubenszugehörigkeit Widerstand leisten, wo immer sie ihr in der Gesellschaf begegnen. Unsere Angst vor der Gewalt des sog. Islamischen Staates wird die Intoleranz gegenüber unseren muslimischen Nachbarn nicht beseitigen. Statt der Auseinandersetzung mit dem Problem und an Stelle der Begegnung mit dem anderen lässt die Intoleranz den Konflikt eskalieren, bahnt den Weg für neue Gewalt und für den Krieg. Da wir „diesen Film“ schon gesehen haben, interessiert er uns nicht, wir lehnen die Gewalt entschieden ab und wählen einen anderen Weg, auf den wir euch auch einladen.
Jede und jeder kann auf diesem Weg aus der unerschöpflichen Quelle eigener kreativer Fähigkeiten schöpfen. Wir finden, dass es jedenfalls nötig ist, dass du:
- dein Bewusstsein für das Problem schärfst und beobachtest. Schließ nicht die Augen , sondern schau zu und denke nach! Vor jeder Staatsordnung und -sicherheitsmaßnahme steht dein Gewissen und dein Verstand. Denk nach, und was dir unlogisch erscheint, akzeptiere nicht selbstverständlich. Gewöhne dich nicht an jetzige Zustand, sondern erkenne, womit du nicht einverstanden bist und nenne es beim Namen. Das Unlogische prüfe kritisch nach. Stelle dir vor, wie du dich fühlen würdest, wenn man dich tagtäglich misstrauisch beobachten würde und dich unter schärfere Kontrollregeln als andere Bürger um dich herum stellen würde.
- Finde eine Verbindung, eine Gemeinschaft, eine Person, die muslimischer Identität ist, um dich aus erster Hand zu informieren, wie sie sich in den aktuellen gesellschaftlichen, von der Sorge um die Sicherheit gegen den Terrorismus gekennzeichneten Umständen fühlt
- Als Muslim / Muslima schliesse dich nicht als Opfer in deine Welt ein, sondern kommuniziere deine Gedanken, Wünsche, Vorwürfe, damit sie in die Ideen und Vorschläge der ganzen lokalen Gemeinschaft einfließen. Überlege und tausche dich mit deiner Umgebung darüber aus, was wirklich deine Sicherheit stärkt und was sie eigentlich gefährdet.
- Der zivile Widerstand lebt von der Kommunikation, deshalb schreibe, sprich, widerspreche, sag laut, was du denkst. Handle wegen der anderen genauso wie wegen dir selbst, denn sobald du wirkst, bewirkst du die Veränderung, die du in der Welt sehen möchtest, einer Welt, in der die Freiheit des Wortes und der Bewegung herrschen.
- Rede über Beispiele der gelungenen interkulturellen Solidarität mit deiner Umgebung, wie es das Beispiel von den Bürgern in Australien zeigt, die die Begleitung ihrer muslimischen MitbürgerInnen nach dem gewalttätigen Amoklauf eines Iraners aus Sidney (November 2014) angeboten haben, oder das Beispiel aus Kanada, wo die Bürger auf islamophobe Grafitti an der Wand der Moschee ihre Botschaften geschrieben haben: Ihr seid unsere Mitbürger und wir sind mit euch zusammen (Oktober 2014).Wann immer du dafür Kraft findest, reagiere, denn jedes Reagieren hat Sinn.
- Wenn dich dieser Inhalt anspricht, unterschreibe die Deklaration der Gläubigen für den Frieden, die du auf der Homepage von www.vjernicizamir.org findest.
- Wende dich im Gebet an Gott, damit du genug Kraft hast, und es dir nie zu schwer wird, Schritt für Schritt sich für deinen Nächsten, deinen Nachbarn einzusetzen.
Wo immer du dich für eine gerechte und bessere Welt einsetzt, Gott ist nahe. Deshalb, sei aktiv und handle.
Ana und Otto Raffai