Frieden mit Gerechtigkeit - Stiftung die schwelle zu Besuch bei ihren Partnern in Israel und Palästina

Mit einer kleinen Gruppe von vier Personen waren wir auf Einladung unserer Partner Combatants for Peace Ende April in Israel und Palästina. Das Datum war bewusst gesetzt: am 24. April fand die „Joint Memorial Ceremony“ in Gedenken an die israelischen und palästinensischen Opfer der Kriege bzw. des Konflikts in Tel Aviv statt.

Es war der Vorabend des nationalen israelischen Gedenktages für die getöteten Soldaten, an die im ganzen Land mit Sirenen und feierlichen Zeremonien gedacht wird. Die Reise fand statt in einer Zeit von wöchentlichen großen Demonstrationen gegen die rechtsextreme Regierung und der Justizreform Netanjahus: eine Reform, die der neuen Regierung zu größerer Macht über die Justiz, über den Obersten Gerichtshof, verhelfen soll. Gleichzeitig sind weitreichende Maßnahmen geplant und teilweise schon verabschiedet, die das Leben der Palästinenser*innen in dem von Israel besetzten Palästina erschwert. Dazu gehört die Ermächtigung der Siedler zu weiterer Landnahme und Bau von Siedlungen. Die Reise fand auch in einer Zeit zunehmender Gewalt statt: Raketenbeschuss aus Gaza nach Israel, Bombardements des israelischen Militärs von Gaza sowie Gewaltakte mit etlichen Toten in verschiedenen Orten in Palästina, aber auch in Israel.

Und dennoch: all unsere Programmpunkte bzw. Besuche und Gespräche konnten ohne Probleme in sicherer Atmosphäre durchgeführt werden. Wir begannen unsere Reise mit dem Besuch im neuen ANU Museum (vormals Diaspora Museum) Tel Aviv. War früher der Einstieg über die Geschichte des Judentums mit dem Schwerpunkt der Verfolgung durch die Jahrhunderte sowie die Pogrome und die Shoah geprägt, so steht heute die aktuelle Lebenssituation von Juden in vielen Ländern der Erde im Mittelpunkt. Diversität und kultureller Reichtum werden spannend und anschaulich dargestellt.

Am folgenden Tag waren wir gespannt auf die Joint Memorial Ceremony: 15.000 Menschen nahmen persönlich in dem Park in Tel Aviv teil, 300.000 Menschen online. Neben musikalischen und lyrischen Beiträgen waren die persönlichen Geschichten von Betroffenen eindrucksvoll und emotional. Jüdisch-israelische wie palästinensische Angehörige von Opfern riefen zur Versöhnung auf und forderten ein Ende der Gewalt und der Besatzung. "Als menschliche Wesen teilen wir den gleichen Schmerz. Und wenn wir uns sehen, treffen und sprechen, werden die Flammen des Hasses vielleicht erlöschen, und es wird Raum für ein wenig Versöhnung und Leben geschaffen", so z. B. Yuval Sapir, im Gedenken an seine Schwester Tamar. Eine großartige Veranstaltung!

Rana Salman von schwelle-Projektpartner Combatants for Peace berichtet in intensiven Gesprächen von den aktuellen Aktivitäten ihrer Organisation: Freedom School, ein Projekt für junge Israelis und Palästinenser*innen, welches auch von der EU gefördert wird ist ein großer Erfolg! Für den aktuellen Durchgang haben sich mehr Palästinenser*innen als Israelis angemeldet und nicht alle konnten für den neuen Kurs angenommen werden. Rana freut es ganz besonders, dass sich auch Jugendliche aus Nablus und Jenin angemeldet haben, denn dort haben sich in letzter Zeit viele junge Männer radikalisiert. Rana hofft, dass die die Trainings für gewaltfreien Widerstand gegen die Besatzung auch Einfluss auf die jungen Menschen in dieser Region haben.

Die Aktivist*innen der Organisation sind viel im Jordan Valley unterwegs, wo immer wieder Häuser und auch ganze Dörfer nach Abrissbeschlüssen zerstört werden und CfP beim Wiederaufbau hilft. Humanitäre Hilfe ist das eine, politische Öffentlichkeitsarbeit das andere. Mit Usama, einem Mitglied von CfP, fahren wir ins Jordan Valley, eine Region, in der Israel das Leben von Palästinensern bzw. Beduinen sehr schwer macht. Wir fahren von Bethlehem nach Jericho: Der gut ausgebaute Highway über Jerusalem ins Jordantal ist für uns Tabu, da wir mit Palästinensern in einem palästinensischen Fahrzeug unterwegs sind. Wir müssen uns auf Serpentinenstraßen durch das Wadi Narr durchschaukeln lassen, die, obwohl in israelischer Verantwortung (C-Gebiet, israelischen Militärverwaltung für alles zuständig) nicht in gutem Zustand sind. Sie sind aber die einzige Möglichkeit die palästinensischen Dörfer zu erreichen.

Das Jordantal ist das größte Wassergebiet und größtes Agrarland in Palästina, wobei die großen Gewächshäuser israelischen Siedlern gehören. Um Jericho herum gibt es fünf Quellen, davon liegen vier in Region C. Die 60.000 Palästinenser können 20% des Wassers nutzen, 80% sind den 11.000 Siedlern vorbehalten. „Controlling water is controlling live“. Wir sehen ein Dorf – eine Ansammlung von Blechhütten - in dem in einer Nacht-und-Nebel-Aktion CfP mit 200 Aktivisten eine Schule und einen Kinderspielplatz gebaut hat, damit 350 Kinder nicht mehr kilometerweit nach Jericho zu Fuß gehen müssen. Die israelische Militärverwaltung droht an, die Schule und das ganze Dorf abzureißen. Ein Anwalt bekommt seit langem jeden Monat Geld, um den Aufschub für die Abrissverfügung jeweils zu verlängern, da ein Urteil schon lange aussteht. Gerichtsentscheidungen werden generell verschleppt. Und wir sehen in der kargen Gegend unterhalb des Mount of Temptation zerstörte Häuser, niedergewalzt von der israelischen Armee. Es ist eine bedrückende Ansicht.

Noch gespenstischer verläuft unsere Tour in Hebron: dort sind wir mit Becca von Breaking the Silence verabredet. Hebron ist in zwei Zonen aufgeteilt: in H1 und in H2. In Hebron 1, mit ca. 230.000 Palästinensern die zweitgrößte Stadt in Palästina, lebt der größte Teil der Palästinenser, aber auch einige Tausend leben in H2, wo auch ca. 800 Siedler leben. Ein Teil dieses Gebietes, das alte Geschäftsviertel, ist Ghosttown, verschlossenen Geschäften und Häusern. In den anderen Teilen ist das Leben der Palästinenser durch Checkpoints und Belästigungen sehr erschwert und zwingt teilweise zu großen Umwegen. Die Siedler Hebrons in H2 demonstrieren ihre Kontrolle und verbergen ihre Aggressionen gegenüber Palästinenser*innen sowie Touristen nicht.

In Bethlehem waren wir in der Dar al Kalima Universität, deren Präsident Pfr. Dr. Mitri Raheb auch in Deutschland Vielen bekannt ist. Nachdem zunächst das Dar al Kalima College ab 2010 mit einigen wenigen alternativen Berufsausbildungen begann, ist in den Folgejahren daraus eine Universität mit vielen Fachbereichen geworden. Das quirlige Leben der jungen Leute ist beim Betreten des Campus sofort spürbar. Unser Gespräch mit Mitri drehte sich vor allem um die Frage der ‚Hoffnung und Zuversicht der jungen Generation‘ angesichts der erneuten Gewaltspirale in den palästinensischen Gebieten. Uns hat die Lebendigkeit und positive Ausstrahlung der jungen Leute auf dem Campus und in den Räumen gefreut und beeindruckt. Dar al Kalima hat ihre Angebote ausgeweitet nach Gaza: dort sei es sehr wichtig, Hoffnung zu geben und eine gute Bildung anzubieten. Das Dar al Kalima College in Gaza ist in einem sehr schönen alten Haus untergebracht, dort werden junge Frauen und Männer gemeinsam unterrichtet. Gerade die jungen Leute seien wissbegierig, mit den Medien gut vertraut und hätten auch viel Kreativität.

Wir haben unsere Reise auch genutzt, um unsere Friedenspreisträgerinnen 2019 Women wage peace zu treffen: Angela erzählt uns, dass der ‚Call of the mothers‘ mittlerweile sehr verbreitet ist und besonders in den sozialen Netzwerken weite Verbreitung findet. Women wage peace ist auch Teil der breiten Demokratiebewegung, die gegen die sog. Justizreform von Netanjahu protestiert. Die national – religiösen Kräfte wollen die Rechte der Frauen einschränken, viele Maßnahmen gegen Frauen werden in den religiösen Communities bereits umgesetzt. Angela berichtet, dass es jetzt auch eine offizielle palästinensische Partnerorganisation zu WWP gibt: ‚Women of the sun‘! Diese Organisation haben wir später in Beit Jala besucht. Die palästinensischen Frauen dieser noch recht neuen Organisation sind sehr aktiv geworden, denn der Kampf für Frauenrechte in der palästinensischen Gesellschaft ist angesichts der Besatzungslage nicht einfach und braucht viel Mut. Sie wollen mit ‚Women wage peace‘ Israel zusammenarbeiten, fordern aber auch einen gemeinsamen Kampf gegen die Besatzung.  WWP plant für den 4. Oktober in ganz Israel einen großen Marsch mit internationaler Beteiligung.

Wir sind noch bei Wi’am, dem Zentrum für gewaltfreie Konfliktbearbeitung in Bethlehem vorbeigegangen: Das Center Wi’am mit seinem Direktor Zoughbi Alzougbhi arbeitet schon seit vielen Jahren professionell im Bereich Konfliktberatung und Konfliktmoderation. Zoughbi selbst ist ausgebildeter Sulha Facilitator. Sulha ist eine weitverbreitete traditionelle arabische Konfliktmediation, die gerade auch in Palästina noch weit verbreitet ist. Die Jahrzehntelange israelische Besatzung und Demütigung führe auch zu innergesellschaftlichen Eskalationen und zu häuslicher Gewalt. Zoughbi sagt, dass es sehr wichtig sei, die innergesellschaftlichen Konflikte zu bearbeiten. Natürlich kämpfen auch sie gegen die Besatzung, aber um den gewaltfreien Widerstand richtig führen u können, müssten auch die Konflikte in der eigenen Gesellschaft bearbeitet werden. Zoughbi sagte uns, dass nach wie vor Hoffnung in der palästinensischen Gesellschaft vorhanden ist und verweist auf Vorbilder wie z.B. Südafrika, Nordirland oder auch der Fall der Mauer und die Wiedervereinigung in Deutschland.

Unsere Reise zu unseren Partnern und weiteren befreundeten Organisationen hat uns gezeigt, wie wichtig die Unterstützung der Friedensarbeit in Israel und Palästina ist: leider werden die mutigen Beispiele dieser Initiativen in unseren Medien viel zu selten präsentiert. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, das Friedenslager zu stärken und zu unterstützen. Frieden ohne Gerechtigkeit ist kein wirklicher Frieden, dazu gehören auch ein Leben in Freiheit – ohne Besatzung.

 

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