Wald der Erinnerung

Für Jacqueline Paulette Drouilly Yurich, die seit 1974 vermisst wird, wurde im Projekt Ecomemoria eine Rauli-Südbuche gepflanzt.

Im September 2023 jährte sich zum 50. Mal der Putsch von General Augusto Pinochet in Chile, mit dem eine siebzehnjährige brutale Militärdiktatur begann. Vor diesem Hintergrund machte uns eine Freundin aus Santiago auf das Projekt Ecomemoria aufmerksam, das auf der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten für einen «Wald der Erinnerung» (Bosque de la Memoria) im Gedenken an die Opfer der Diktatur ist. die schwelle unterstützte das Projekt mit einer Einzelförderung

Ecomemoria hat es sich zur Aufgabe gemacht, im Süden Chiles einen Wald mit einheimischen Bäumen zu pflanzen. Jeder Baum erinnert an eine konkrete Person, die unter der Militärdiktatur «verschwunden» ist oder ermordet wurde. Die Verantwortlichen hinter Ecomemoria sind Überlebende von Folter und politischer Gefangenschaft, Angehörige von Verschwundenen und politisch Hingerichteten sowie Exilierte der ersten, zweiten und dritten Generation.

Das Projekt verbindet zwei wichtige Aspekte, die auch im Einklang mit den Zielen der Stiftung die schwelle stehen: den Einsatz für den Erhalt der Umwelt und für die Menschenrechte. Mich hat das Konzept von Ecomemoria sehr angesprochen, da hier einerseits eine lebendige Erinnerung an die Vergangenheit bewahrt und zugleich der Blick in die Zukunft gerichtet wird, indem der «Wald der Erinnerung» einen Beitrag gegen die fortschreitende Entwaldung leistet. Durch die jungen Bäume entsteht neues Leben, sodass die Ermordeten in «ihren» Bäumen weiterleben.

Während des jährlichen Familienbesuchs in Chile hatte ich die Gelegenheit Ecomemoria zu besuchen. Der «Wald der Erinnerung» befindet sich nordöstlich der Regionalhauptstadt Temuco. Ecomemoria hat circa fünf Hektar Land erworben, das inzwischen mit über 1.500 jungen Bäumen bepflanzt wurde. Insgesamt sollen es mehr als 3.000 werden. Jeder Baum ist mit zwei wetterfesten Schildern versehen: Auf einem steht der Name des/der politischen Gefangenen, mit dem Datum der Festnahme oder der Ermordung. Auf einem zweiten Schild steht der Name des Baumes in Mapudungun (der Sprache der Mapuche), Spanisch und Lateinisch. Ecomemoria macht keinen Unterschied zwischen den Personen, denen die Bäume gewidmet sind, so kann neben dem Baum für eine Landarbeiterin der Baum für einen Minister stehen.

Zum Zeitpunkt unseres Besuches war das Schlagen eines Brunnens geplant, denn gerade im ersten Jahr nach der Pflanzung ist eine regelmäßige Bewässerung der Bäume sehr wichtig, was bis dahin mühsam aus mitgebrachten Kanistern erfolgte. Wenige Tage später erhielten wir von Ecomemoria ein Video, auf dem man sprudelndes Wasser als Ergebnis der Aktion sehen kann. Als nächster Schritt ist die Errichtung einer einfachen Unterkunft auf dem Gelände vorgesehen, damit bei mehrtägigen Arbeiten oder Besuchen eine Übernachtung vor Ort möglich ist.

 

 

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