Schon lange ist die Mafia international in so lukrativen Geschäften wie etwa dem Drogenhandel tätig. Dagegen erscheint die Schutzgelderpressung beim Geschäftsmann nebenan geradezu archaisch. Trotzdem ist die Zahlung des ‚Pizzo‘, des Schutzgeldes, auf Sizilien auch heute noch gängige Praxis – aber ein Wandel in der gesellschaftlichen Akzeptanz dieses Phänomens ist in vollem Gange.
Als Anfang der 90er Jahre zwei Staatsanwälte die gegen die Mafia ermittelten ermordet werden, fällt die sizilianische Gesellschaft in eine Art Schockstarre. Niemand spricht mehr öffentlich über die Mafia — aber die Schutzgelderpressungen gehen ungehindert weiter und werden von der Bevölkerung lange als unumgänglich angesehen.
Seit 2004 ermutigt 'Addiopizzo' (Tschüss Schutzgeld) die sizilianische Gesellschaft, sich gegen den ‚Pizzo‘ und die Einflüsse der Mafia zu erheben und für eine aufrichtige und friedliche Gesellschaft einzutreten. Der Slogan der Bewegung ‚Ein ganzes Volk das Schutzgeld zahlt, ist ein Volk ohne Würde‘ wirkt seit der Gründung wie ein Weckruf für Sizilien. Ein eindringlicher Appell, das Schweigen endlich zu beenden.
'Addiopizzo' ist das Dach für Unternehmen, die sich nicht (länger) erpressen lassen, sondern ihren Geschäften legal nachgehen möchten. Eine Mitgliedschaft bei 'Addiopizzo' verpflichtet die Inhaber, Erpressungsversuche bei der Polizei anzuzeigen.
Die Geschäfte sind deutlich zu erkennen an dem Schild der Kampagne 'Pago chi non paga' (Ich kaufe bei dem, der nicht zahlt). So bekommen Kunden und Kundinnen die Möglichkeit kritisch zu konsumieren und werden zu einem wesentlichen Element dieser Solidargemeinschaft. Eine klare Botschaft: alle sind betroffen, aber es kann auch jeder Einzelne zum gesellschaftlichen Wandel beitragen.
Bis heute haben sich mehr als 1000 Unternehmen der Kampagne angeschlossen.
Eine weitere wesentliche Aufgabe der Organisation ist die Bildungsarbeit. Etwa 40 Ehrenamtliche besuchen regelmäßig palermitanische Schulen und sensibilisieren Kinder und Jugendliche für die Vorgehensweisen der Mafia. Sie setzen den ‚Werten‘ der Mafia durch die Vermittlung von Gewaltfreiheit und gegenseitigem Respekt deutliche Kontrapunkte. ‚Addiopizzo‘ betreibt regelmäßig Lobbyarbeit für die Einführung eines Schulfaches ‚Legalität‘.
Durch Veranstaltungen in Stadtteilen mit besonders hoher (Jugend-) Arbeitslosigkeit fördert Addiopizzo das Bewusstsein für den Zusammenhang zwischen Armut, sozialer Benachteiligung und dem Einfluss der Mafia, die genau dort ihre Wurzeln hat.
Mittlerweile hat die Organisation Ableger auch in anderen Regionen des Landes. In Deutschland haben sich nach dem italienischen Vorbild Berliner Gastronomen zu dem Verein ‚Mafia? Nein danke!‘ zusammengeschlossen.