Schon als Kind musste Vilma Nuñez erfahren, was Ausgrenzung und Benachteiligung bedeuten. Noch heute kämpft sie für die Durchsetzung der politischen und wirtschaftlichen Menschenrechte in Nicaragua. Im Alter von 80 Jahren.
Das Jahr 2018 war bitter für Nicaragua – und für Vilma Nuñez. Seit Jahrzehnten arbeiten sie und andere Menschenrechtsaktivist*innen daran, dem zentralamerikanischen Land innergesellschaftlichen Frieden und soziale Gerechtigkeit zu bringen. Doch dann kamen die Demonstrationen gegen die Regierung und gewalttätigen Auseinandersetzungen, die monatelang das Land erschütterten. Hunderte Menschen wurden getötet, Tausende verletzt, Zahllose verhaftet. Derzeit hat sich die Lage im Land wieder beruhigt. Doch ein Wiederaufflammen von Protesten und Gewalt ist nicht ausgeschlossen.
Für Vilma Nuñez und viele ihrer Mitstreiter*innen sind die Entwicklungen in ihrem Heimatland bitter. Denn vieles von dem, was sie in jahrzehntelanger Arbeit erreicht hatten, wurde zunichte gemacht. Aufgeben aber kommt für die Frau, die im Jahr 1938 als uneheliches Kind armer Leute zunächst auf dem Lande, später in der Stadt León aufwuchs, nicht in Frage. Schließlich hatte sie schon von Kindesbeinen an mit Widrigkeiten zu kämpfen: Dass ihre Eltern nicht verheiratet waren, war ein Skandal. Dass ihr Vater ein Mitglied der konservativen Partei war und deshalb wiederholt aus politischen Gründen inhaftiert wurde, auch.
Vilma Nuñez beschloss, gegen diese Zustände einzutreten. Nach ihrem Jurastudium arbeitete sie zunächst als Anwältin in León und vertrat in den 1970er-Jahren politische Gefangene vor Gericht – ohne Bezahlung. Im Jahr 1975 wurde sie Mitglied der Sandinistischen Partei. Drei Jahre später gründete sie die erste Regionalgruppe der Permanenten Kommission der Menschenrechte Nicaraguas, nahm an Versammlungen und Protestmärschen der Sandinisten teil, wurde inhaftiert und gefoltert. Nach dem Sieg der Nicaraguanische Revolution arbeitete sie bis zum Jahr 1987 als stellvertretende Vorsitzende des Obersten Gerichtshofes und leitete danach die Nationale Menschenrechtskommission.
Nach der Wahlniederlage der Sandinisten im Jahr 1990 gründete sie schließlich das regierungs- und parteiunabhängige Nicaraguanische Zentrum für Menschenrechte (CENIDH), das sie bis zu ihrem Ruhestand leitete. Grundlage der Arbeit von CENIDH ist die Unteilbarkeit der Menschenrechte: Die politischen und bürgerlichen Menschenrechte gelten als genauso wichtig wie die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen. Bis heute steht die 80-Jährige öffentlich für die Menschenrechte ein.
Für ihre Arbeit wurde Vilma Nuñez mehrfach ausgezeichnet, unter anderem von der Stieg Larsson Stiftung und der Ehrenlegion Frankreichs (2011) und mit dem Menschenrechtspreis "Leonidas Proaños" der Lateinamerikanischen Gesellschaft für Menschenrechte (1991).